Freitag, 9. Oktober 2009

Ungeahnter Altruismus?

Es geschah am 11. März 1999: Oskar Lafontaine trat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als Bundesfinanz- minister und SPD- Vorsitzender zurück. Einen Tag zuvor hatte Alpha-Tier Nr. 1 Schröder in einer Kabinettssitzung erklärt, dass eine wirtschaftsfeindliche Politik mit "ihm nicht zu machen" sei und dabei besonders Alpha-Tier Nr. 2 Lafontaine angegriffen.

Seitdem läuft die Oskar Lafontaine Show ununterbrochen. DGB, Attac, WASG, Die Linke - alle mussten herhalten, um die Regierungen Schröder und Merkel zu diffamieren. Bis zum 9. Oktober 2009. An diesem Tag zog sich Lafontaine ohne ersichtlichen Grund als Fraktionsvorsitzender der Linken und damit faktisch auch aus der Bundespolitik zurück.

Es bleibt die Frage nach dem Warum. Ist Lafontaine vielleicht gar kein erbarmungsloser Egozentriker? Hat er 1999 alles hingeschmissen, weil er wirklich glaubte, dass Schröder das Land in die falsche Richtung bewegte? Zieht er sich nun aus der Bundespolitik zurück, um einer Annährung zwischen SPD und Linke (die er als das Beste für Deutschland erachtet) nicht im Weg zu stehen?

Es ist zu früh für eine klare Antwort. Auch wenn ich mit Lafontaines politischen Ansichten meist nicht übereinstimme, so habe ich vielleicht (aber nur vielleicht!) seinen Grad an Altruismus maßlos unterschätzt.

Samstag, 3. Oktober 2009

Warum Wowereit falsch liegt

In einem heute erschienenen Interview im Tagesspiegel fordert Klaus Wowereit die Abkehr von der Rente mit 67. Laut Exit Polls war sie für bisherige SPD-Wähler ein wichtiger Ausschlaggeber letzten Sonntag eine andere Partei zu wählen oder einfach zuhause zu bleiben. Nicht verwunderte es daher, dass FDP, Linke und Grüne mit dem Versprechen einer Revision der Rente mit 67 in den Wahlkampf zogen. Auch in der SPD gab es vereinzelt Stimmen, die Reform auf den Prüfstand zu stellen. Jedoch wurden derartige Vorstöße wiederholt im Keim erstickt.

Jetzt ist wieder alles offen. Die SPD liegt am Boden und der linke Flügel versucht die Partei in genau jene Richtung zu drängen - Abschied von der Rente mit 67 inklusive. Sollte es gelingen, wird das Glaubwürdigkeitsproblem nicht verschwinden und zudem wäre ein fatales Signal für die jungen Menschen im Land gesetzt.

Seit Gründung der Bundesrepublik steigt die Lebenserwartung ihrer Bürger jedes Jahr an. 1970 bezog ein Mann nach Vollendung des 65. Lebensjahres durchschnittlich 12 Jahre Rente, eine Frau 15 Jahre. Heute sind es bereits 16 Jahre für Männer und 20 Jahre für Frauen. Jedoch beziehen die Ruheständler nicht nur länger Rente, sondern sind auch zunehmend fitter als diejenigen, die vor 40 Jahren in Rente gingen.

Deswegen war und ist die Anhebung des Renteneintrittsalters der einzige Weg, um die Rente langfristig zu sichern und gleichzeitig die Beitragszahler nicht übermäßig zu belasten. Gerade wegen der steigenden Lebenserwartung ist sie gegenüber den meisten zukünftigen Rentnern zudem auch nicht unfair. Dass für Arbeitende mit körperlich zehrenden Berufen Sonderregelungen eingeführt werden müssen, steht außer Frage. Alle, die jedoch die pauschale Abkehr von der Rente mit 67 fordern, kennen entweder die Fakten nicht oder betreiben schlichten Populismus.

Zu denen gehört nun anscheinend auch Klaus Wowereit, dessen SPD-Landesverband größere Verluste als anderswo einstecken musste. Selbst wenn es sich nur um ein Manöver für 2013 handeln sollte, ist Wowereits Verhalten einfach unverantwortlich. In der Verantwortung stehende Spitzenpolitiker müssen zu politischen Entscheidungen ohne Alternative - und dazu gehört die Rente mit 67 - stehen.

Eine letzte Anmerkung an Herrn Wowereit und alle anderen Kritiker: Das Renteneintrittsalter wird nicht bei 67 Jahren verharren. Es wird weiter angehoben werden oder durch ein variables Eintrittsalter mit fixer Bezugsdauer ersetzt werden müssen.

Die Diskussion sollte sich daher nicht um eine Rückkehr zur Rente mit 65 drehen. Stattdessen muss überlegt werden, wie der Anstieg des Renteneintrittsalters sozial gerecht gestaltet werden kann. Das schulden wir den zukünftigen Rentnern und den jungen Menschen in diesem Land, alles andere wäre verantwortungslos und unglaubwürdig.

Freitag, 2. Oktober 2009

Turnaround?

Kann die designierte stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig (35) der Anstoß für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Politik sein?

Das Modell Deutschland steht auf der Kippe. Nicht erst seit gestern befindet sich das Land im Abstieg. Unser soziales Netz ist vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in seiner heutigen Form einfach nicht mehr haltbar, unser Bildungssystem verharrt schon zu lange im Status quo und andere Länder machen uns längst vor, wie man eine wirklich erfolgreiche Familienpolitik betreibt.

Dass diese existenziellen Probleme nicht endlich gelöst werden, hat viele Ursachen. Allen voran sind es jedoch die konservativen Kräfte in diesem Land, die eine Wende verhindern. Vertreten sind diese bei weitem nicht nur in der Union, sondern im gesamten Parteienspektrum. Die Renten dürfen nicht sinken, das dreigliedrige Schulsystem sei gut und vor allem klassische Familien sollten entlastet und gefördert werden - all das und noch viel mehr wird immer wieder propagiert und hat uns bis jetzt keinen Schritt weiter gebracht.

Zu diesen Strukturproblemen kommt dann auch noch die Konkurrenz aus den Niedriglohnländern Osteuropas und bald wohl auch China, Indien und Co. Jede Woche wandern Arbeitsplätze aus Deutschland gen Osten. Das ist unvermeidbar und auch richtig, denn einen Anspruch auf Wohlstand hat kein Land.

Die Antwort auf die Globalisierung sind junge und hochqualifizierte Fachkräfte. Nur sie können Deutschland dauerhaft einen Platz in einer globalisierten Welt sichern. Doch weder Familien- noch Bildungspolitik haben bisher viel zum Erreichen dieses Ziels beigetragen. Augrund der niedrigen Geburtenrate und des diskriminierenden Bildungssystems entfernen wir uns jeden Tag weiter vom Ziel.

Wir leben heute in einem Land, in dem man Angst davor hat, große Bevölkerungsteile betreffende Reformen durchzuführen. Man hat Angst vor dem Unmut der Rentner und jenen, die kurz vor der Rente stehen, man fürchtet Eltern, die ihre Kinder unbedingt auf ein Gymnasium schicken wollen und streubt sich Alleinerziehende und gleichgeschlechtliche Eltern umfangreich zu fördern. Jetzt schon zieht ein Land nach dem anderen an Deutschland vorbei. Eine Trendwende kann nur durch eine bedingungslos zukunftsorientierte Reformpolitik erreicht werden.

Manuela Schwesig ist die jüngste Ministerin Deutschlands. Mit ihr wird eine verhältnismäßig junge Frau in die Spitze einer Volkspartei aufrücken. Es ist ein erster Schritt hin zu mehr Einfluss junger Politiker. Mögen viele auf ihn folgen und vielleicht stehen dann die Zeichen eines Tages wirklich auf Zukunft!