Montag, 5. Dezember 2011

Irgendwas mit Internet

Michael Adams Ortsverein in Niederbayern
3. Dezember 2011. 20 Uhr. Berlin. Umspannwerk Ost. Der Vorwärts lädt zum internationalen Presseabend ein und ich bin dabei. Fast wäre es nicht dazu gekommen, aber das ist eine andere Geschichte. Und fast hätte ich von einem dreckigen Teller gegessen, aber auch das ist eine andere Geschichte. Worauf ich - mal wieder - hinaus möchte, ist dieses Internet.

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Volksparteien mit Internet und sozialen Medien besonders schwer tun. Ein wenig Webseite hier, ein bisschen Facebook da und wenn man besonders experimentierfreudig ist, ein paar Tweets nebenbei. Etwas ganz besonderes hat sich Sigmar Gabriel für den Presseabend einfallen lassen: Per Internet-Videoschalte wurden drei Ortsvereine virtuell ins Umspannwerk geholt und durften vor versammelter SPD- und Presse-Avantgarde ein paar Minuten mit dem Chef plaudern. Eine schöne Idee. Leider geht sie an der bitteren digitalen Realität der ältesten Partei Deutschlands vorbei.

Seit Jahren zieht sich durch die deutsche Sozialdemokratie eine digitale Spalte: Innovative Webseiten und nicht-existierende Internetpräsenzen, Social-Media-Experten und Funktionäre, die von Facebook oder Twitter noch nie etwas gehört haben, E-Mail-Nutzer und Mitglieder, die per Briefpost nur einen Bruchteil des Parteilebens mitbekommen. Der Hauptstadtpresse die faszinierenden Möglichkeiten des Internets vorzuführen ist das Eine, diese der gesamten Partei zu ermöglichen das Andere.

Die SPD muss ihre digitale Spaltung überwinden. Bis das der Fall ist, sind PR-Gimmicks fehl am Platze.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Er kann es (wirklich)!

Wenn ein 92-Jähriger beim Anzünden seiner Zigarette auf zwei Großbildleinwänden gezeigt wird und Tausende Zuschauer klatschen und jubeln, weiß man, dass Helmut Schmidt im Saal ist.

Die hervorragende Rede des ewigen Kanzlers der Herzen, kann im Folgenden nachgelesen werden. Es gilt das gesprochene Wort:


Liebe Freunde, meine Damen und Herren!

Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung beginnen. Als Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und meine Partei mich noch einmal um einen Beitrag gebeten haben, habe ich mich gern daran erinnert, wie ich heute vor 65 Jahren mit Loki auf dem Fußboden kniend Einladungsplakate für die SPD in Hamburg-Neugraben gemalt habe. Allerdings muss ich zugleich bekennen: Im Blick auf alle Parteipolitik bin ich altersbedingt schon jenseits von Gut und Böse angekommen. Schon lange geht es mir in erster und in zweiter Linie um die Aufgaben und die Rolle unserer Nation im unerlässlichen Rahmen des europäischen Zusammenschlusses.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Gefühlte Stärke

Die SPD ist wieder da! Ein Satz, den Spitzengenossen dieser Tage gerne über die Lippen bringen. Warum auch nicht? Schließlich hat sich die Sozialdemokratie von ihrem Tiefpunkt im Jahr 2009 auf beeindruckende Weise erholt. An Rhein und Ruhr hat es 2010 sogar für das schlechteste Wahlergebnis seit 1954 gereicht und die CDU konnte man selbstverständlich nicht abhängen. Seit diesem überwältigenden Sieg, läuft es auch bundesweit hervorragend: Laut Forsa liegt die SPD mit 25 Prozent nur 10 Punkte hinter dem inhaltslosen Merkel-Wahlverein und dass die Demoskopen um Genosse Güllner den Sozialdemokraten zwei Tage vor ihrem historischen Absturz bei der letzten Bundestagswahl auch 25 Prozent vorhergesagt hatten, ist allenfalls Makulatur. Die SPD ist wieder da!

Oder so.

Mag sein, dass Forsa ein statistischer Ausreißer ist. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass sich der "gefühlte Sieg" in Nordrhein-Westfalen in eine gefühlte Stärke der gesamten Partei verwandelt hat. Ob es mehr als ein Gefühl ist, wird sich spätestens 2013 zeigen. Bis dahin sollte sich die SPD darauf besinnen, dass die Schwäche der Anderen per se keine eigene Stärke bedeutet. Was wenn Union und FDP plötzlich harmonisch regieren? Was wenn die Grünen einen neues Dauerbrenner-Thema finden? Was wenn die Linke ihre bitteren innerparteilichen Konflikte hinter sich lässt? Was wenn die Piraten zur attraktiven Vollprogramm-Partei werden? Ob man im Willy-Brandt-Haus dann noch immer "Die SPD ist wieder da!" rufen könnte, kann derzeit bezweifelt werden.

Man darf gespannt sein, ob die Delegierten sich auf dem heute beginnenden Bundespartei ebenfalls in Selbstbeweihräucherung üben oder klar machen, dass die strukturelle und inhaltliche Neuaufstellung der Sozialdemokratie kein Sprint sondern ein langer und anstrengender Marathon sein wird.

Mittwoch, 16. November 2011

Ein feministischer Appell an die nächste Bundesregierung

Die vollständige Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft war und ist eines der wichtigsten Ziele der Politik. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde viel darüber geredet, aber vergleichsweise wenig erreicht. Gerade die Linken hierzulande müssen sich fragen, ob nicht der ein oder andere Irrweg beschritten wurde - beispielsweise mit dem Gendern. Während in den USA, Frankreich und anderen Ländern Frauen in den höchsten Positionen der Gesellschaft fast schon zur Normalität gehören, sucht man sie in der Bundesrepublik - abgesehen von Angela Merkel - vergeblich.

Michèle Alliot-Marie, Ann Dunwoody, Meg Whitman (von links nach rechts)

In Deutschland gibt es keine Michèle Alliot-Marie, die mehrere männerdominierte Schlüsselministerien geleitet hat (Zahl der weiblichen Außen-, Innen-, Verteidigungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Verkehrs- oder Kanzleramtsminister seit 1949: 0). In Deutschland gibt es keine Ann Dunwoody, die den Rang eines Vier-Sterne-Generals bekleidet (Zahl der weiblichen Bundeswehroffiziere über dem Rang eines Ein-Sterne-Generals seit 1955: 0). In Deutschland gibt es keine Meg Whitman, die mit Hewlett-Packard nach eBay bereits zum zweiten Mal einem milliardenschweren Konzern vorsitzt (Zahl der weiblichen Vorstandsvorsitzenden deutscher Großkonzerne: 0). In Deutschland gibt es kein Sprachproblem, sondern ein Vorbildproblem.

Statt immer wieder Debatten über das Gendern zu führen, sollten alle Verfechter einer geschlechtergerechten Gesellschaft die nächste (sozialdemokratische) Bundesregierung in die Pflicht nehmen: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Entlastung und Förderung von Alleinerziehenden und Empowerment müssen endlich höchste Priorität genießen, um vielen Frauen eine Vorbildfunktion überhaupt erst zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen im Bundeskabinett die Ressorts Auswärtiges, Inneres, Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr sowie das Kanzleramt mit Frauen besetzt werden und mittels der Einführung einer Frauenquote von 50% für alle Aufsichtsräte weitere weibliche Vorbilder aktiv geschaffen werden.

Deutschland ist von einer geschlechtergerechten Gesellschaft noch Lichtjahre entfernt, doch eines sollte mittlerweile klar sein: Sprachkosmetik bringt uns nicht weiter!

Sonntag, 13. November 2011

Keine Überraschung: Der Sanfte kann es nicht

Er kann es, er auch und er sowieso. Einer kann es jedoch nicht: Philipp Rösler. Wer den FDP-Bundesparteitag verfolgt hat, war Zeuge einer surrealen Szene. Erst spricht der sanftmütige Hoffnungsträger für 50 Minuten, flüstert dabei zeitweise fast ins Mikrofon und erntet am Ende höflichen Applaus. Dann bringt der in Ungnade gefallene Ex-Vorsitzende den Saal ganz frei von spätrömischer Dekadenz in 7 Minuten zum Kochen.

Bei einer solchen Konstellation wundert es nicht, dass die Liberalen der Fünf-Prozent-Hürde nach wie vor fern bleiben. Die FDP hat ein Problem. Ein Problem, das die SPD schon mehrmals hatte. Das eines fehlbesetzten Chefsessels.

Der rasche Absturz Röslers auf das Popularitätsniveau seines Vorgängers war selbst für alteingesessene politische Beobachter atemberaubend. Noch mehr sollte den Freidemokraten allerdings zu denken geben, dass ihr neuer Vorsitzender mittlerweile von vielen Bürgern, Parteimitgliedern und Koalitionspolitikern nicht mehr ernst genommen wird. Ein rhetorisches Leichtgewicht, unfähig zu Populismus und staatsmännischem Auftreten - genau das Gegenteil braucht die FDP zur Überwindung ihrer existenziellen Krise. Eine erneute Personaldebatte wollen sich die meisten Liberalen jedoch nicht leisten. Ein Irrweg. Sie wird kommen und an ihrem Ende wird nicht Philipp Rösler stehen.

Der vermeintlichen Ruhe zum Trotz, bleibt es spannend bei den Freidemokraten. Ob am Ende der Aufstieg oder der endgültige Absturz steht, bleibt abzuwarten und bis dahin amüsiert sich Deutschland einfach weiter mit Drei-Prozent-Witzen.

Samstag, 12. November 2011

Dieses Internet - da müssen wir ran!

Das Referendum in #Griechenland ist vom Tisch. Gut so! Referenden mit der Pistole auf der Brust sind immer fragwürdig... #Euro
Diesen Tweet habe ich am 3. November um 16:32 Uhr geschrieben und wurde damit wenig später von Spiegel Online zitiert. Nein, dies soll kein selbstherrlicher Blog-Post werden. Stattdessen möchte ich - mal wieder - auf die faszinierenden Chancen, die Internet und soziale Medien nicht nur für die @peteraltmaiers dieser Welt bieten, hinweisen.

Wenn man "Ungläubigen" in der SPD erzählt, dass im Web 2.0 jedes einfache Mitglied Tausenden oder gar Zehntausenden Nutzer erreichen kann, erntet man häufig nicht mehr als ein müdes Lächeln. Vielen Sozialdemokraten hallt wahrscheinlich noch "BILD, BAMS und Glotze" in den Ohren, was 1998 sicherlich (leider) noch zutreffend war. Seitdem ist die Internetnutzung in Deutschland von 10% auf 80% gestiegen und über 40 Millionen Deutsche sind in sozialen Netzwerken aktiv.

Gerade die Volksparteien SPD, CDU und CSU haben auf diese Entwicklung nur unzureichend reagiert und mussten dramatische Verluste bei jüngeren Wählern hinnehmen. Viele Internet-affine Bürger - jung, gut gebildet und einkommensstark - haben heute ihre politische Heimat bei Grünen, FDP und Piraten. Die großen Parteien haben in diesem Sinne ihren Charakter als Volksparteien verloren und damit darf eben nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein.

Die Mitglieder der ältesten Partei in diesem Land müssen endlich die Möglichkeiten und Chancen von Webseiten, Blogs, Podcasts, Facebook-Seiten, Twitter-Accounts, YouTube-Kanälen und Co. erkennen und nutzen. In anderen Worten: Sie müssen zu "Gläubigen" werden. Das Web 2.0 bietet neuartige und potente Informations- und Kommunikationskanäle, über die zu jeder Uhrzeit, von jedem Ort auf der Welt Bürger und nicht zuletzt junge Wähler erreicht werden können.

Liebe SPD, dieses Internet - da müssen wir ran! (Vielen Dank an Renate Künast und die Berliner Grünen für diese nunmehr amüsant konnotierte Phrase.)

Montag, 27. Juni 2011

Merkelismus, Ahoi!

Egal ob Süddeutsche, FAZ oder Welt am Sonntag - mittlerweile dürfte jedes deutsche Leitmedium die schwarz-gelbe Bundesregierung und nicht zuletzt die Kanzlerin in Grund und Boden geschrieben haben.

Heute hat der SPIEGEL zum Rundumschlag ausgeholt und mit dem Titelthema "Schwarz-Gelb: Abrechnung mit einer sogenannten Regierung" und dem Artikel "Die Nicht-Regierung" seine aktuelle Ausgabe ganz nach dem Motto "doppelt hält besser" gefüllt.

Klar ist, Merkels Führungsstil, auch bekannt als Merkelismus, hat die "Wunschkoalition" aus Union und FDP in kürzester Zeit abgewirtschaftet und in jeder Hinsicht einen Scherbenhaufen hinterlassen.

So überrascht es kaum, dass SPIEGEL ONLINE nun in Sachen Libyen über eine Geheimabsprache Berlins mit der NATO berichtet.

Wir erinnern uns: Am 17. März enthielt sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat bei Resolution 1973, welche dem NATO-Einsatz gegen den libyschen Diktator Muammar Gaddafi den Weg ebnete.

Die "Responsibility to Protect" ignoriert, die engsten Alliierten verprellt, die Chance auf einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat verspielt, in ein Boot mit "lupenreinen Demokratien" wie Russland und China gesetzt - wofür andere Regierungen wohl Jahre bräuchten, benötigte Schwarz-Gelb lediglich einen Abend.

Es war eine fundamentale Fehlentscheidung. Das hat auch das Kanzleramt schnell erkannt und seitdem wird - wie beim Atomausstieg und der Eurorettung - fleißig zurück gerudert. Mittlerweile fliegen als Trostpreis AWACS-Aufklärungsflugzeuge in Afghanistan, die Bundeswehr wurde für einen humanitären Einsatz in Libyen zur Verfügung gestellt, der Tod Osama bin Ladens hat die Kanzlerin in einen uncharakteristischen Freudensturm ausbrechen lassen und weil der NATO die Bomben ausgehen, wird Deutschland jetzt "einzelne Teile für Bomben und auch ganze Geschosse liefern [...]"

Bei einem "Ja" im UN-Sicherheitsrat hätte sich die Bundesrepublik nicht im größeren Maße am NATO-Einsatz gegen Gaddafi beteiligen müssen als jetzt. Das wussten die Diplomaten im Auswärtigen Amt - bloß der Außenminister und seine Chefin hatten mal wieder nur Umfragen und Landtagswahlen im Kopf.

Und so ist auch die deutsche Außenpolitik dem Merkelismus zum Opfer gefallen. Einziger Trost: Den Menschen in Libyen wird glücklicherweise trotzdem geholfen.

Dienstag, 21. Juni 2011

Is Germany actually kotzescheisse?

Vor einigen Wochen sah ich in der Leipziger Innenstadt einen Jugendlichen, auf dessen T-Shirt in großen Lettern "Germany is kotzescheisse" prangte. Eine Google-Suche offenbarte schnell, dass es sich dabei um die Initiative der linksradikalen Zeitung Straßen aus Zucker handelt.

Die Zeitung ruft beispielsweise dazu auf, mit Stickern wie "Krawall und Remmidemmi", "Karies für Deutschland!“ oder "Staat.Nation.Kapital.Scheisse." die "Umgebung zu verschönern". Wie der Rest dieser Publikation aussieht, kann sich jeder denken.

Seitdem ich mit der Proklamation "Germany is kotzescheisse" konfrontiert wurde, muss ich oft darüber nachdenken, warum viele Menschen ihr Leben in Deutschland - das trotz vieler Probleme an Freiheit, Demokratie, Wohlstand & Gerechtigkeit kaum zu überbieten ist - offensichtlich so wenig zu schätzen wissen.

Gestern hat Foreign Policy in Zusammenarbeit mit The Fund for Peace den jährlichen Failed States Index (FSI) veröffentlicht. Während ich durch die deprimierenden "Postcards from Hell" klickte, kam mir auch "Germany is kotzescheisse" wieder in den Sinn.

Donnerstag, 26. Mai 2011

Die Linke und ihr unerträglicher Pazifismus

Man kann von mir nun wirklich nicht behaupten, dass ich ein Pazifist bin. Dennoch respektiere ich die Haltung des Friedens um jeden Preis - sofern ihr kohärente Argumente zugrunde liegen.

Heute hat sich der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, zum NATO-Einsatz in Libyen sowie den demokratischen Bewegungen in der arabischen Welt geäußert und leider wieder bewiesen, dass die meisten Positionen seiner Partei einer intellektuellen Betrachtung nicht standhalten.


Im Folgenden kommentiere ich einige Argumente Gysis in chronologischer Reihenfolge:
  • Globalisierungskritik ist bei der Linken nichts Neues. Wenig überraschend moniert Gysi, dass die G8 kein Recht hat ohne die Schwellen- & Entwicklungsländer Entscheidungen für die Welt zu treffen. Recht hat er! Aber was wäre die Alternative?