Mittwoch, 16. November 2011

Ein feministischer Appell an die nächste Bundesregierung

Die vollständige Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft war und ist eines der wichtigsten Ziele der Politik. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde viel darüber geredet, aber vergleichsweise wenig erreicht. Gerade die Linken hierzulande müssen sich fragen, ob nicht der ein oder andere Irrweg beschritten wurde - beispielsweise mit dem Gendern. Während in den USA, Frankreich und anderen Ländern Frauen in den höchsten Positionen der Gesellschaft fast schon zur Normalität gehören, sucht man sie in der Bundesrepublik - abgesehen von Angela Merkel - vergeblich.

Michèle Alliot-Marie, Ann Dunwoody, Meg Whitman (von links nach rechts)

In Deutschland gibt es keine Michèle Alliot-Marie, die mehrere männerdominierte Schlüsselministerien geleitet hat (Zahl der weiblichen Außen-, Innen-, Verteidigungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Verkehrs- oder Kanzleramtsminister seit 1949: 0). In Deutschland gibt es keine Ann Dunwoody, die den Rang eines Vier-Sterne-Generals bekleidet (Zahl der weiblichen Bundeswehroffiziere über dem Rang eines Ein-Sterne-Generals seit 1955: 0). In Deutschland gibt es keine Meg Whitman, die mit Hewlett-Packard nach eBay bereits zum zweiten Mal einem milliardenschweren Konzern vorsitzt (Zahl der weiblichen Vorstandsvorsitzenden deutscher Großkonzerne: 0). In Deutschland gibt es kein Sprachproblem, sondern ein Vorbildproblem.

Statt immer wieder Debatten über das Gendern zu führen, sollten alle Verfechter einer geschlechtergerechten Gesellschaft die nächste (sozialdemokratische) Bundesregierung in die Pflicht nehmen: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Entlastung und Förderung von Alleinerziehenden und Empowerment müssen endlich höchste Priorität genießen, um vielen Frauen eine Vorbildfunktion überhaupt erst zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen im Bundeskabinett die Ressorts Auswärtiges, Inneres, Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr sowie das Kanzleramt mit Frauen besetzt werden und mittels der Einführung einer Frauenquote von 50% für alle Aufsichtsräte weitere weibliche Vorbilder aktiv geschaffen werden.

Deutschland ist von einer geschlechtergerechten Gesellschaft noch Lichtjahre entfernt, doch eines sollte mittlerweile klar sein: Sprachkosmetik bringt uns nicht weiter!

4 Kommentare:

  1. Teilweise hast du recht, teilweise hast du dir ein richtiges Eigentor geschossen. Es ist richtig, dass es hierzulande an weiblichen Vorbildern in entsprechenden Führungspositionen fehlt (auch wenn wir, von mir aus, auch ohne Bundeswehroffizier*innen auskommmen) und auch deine Forderung einer Quote unterstütze ich voll.

    Auf der anderen Seite gibt es in der englischen Sprache von Grund auf eine geschlechtergerechte Sprache, aufgrund des geschlechtsneutralen "the". Zudem wird im Englischen schon lange tapfer gegendert, indem (zumin in Fachliteratur) in der Allgemeinform he und she abwechselnd und äquivalent verwendet wird, ohne das sich jemand daran stört.
    Des Weiteren gilt gerade der amerikanische Raum nicht gerade als Vorbild, was frühkindlicher Betreuung angeht. In den Genuss dieses Privilegs kommen nur wenige, gut ausgebildete Eltern, die bei erfolgreichen Konzernen arbeiten, welche eben jenes anbieten können. Geringverdiener*innen hingegen sind gezwungen ihre Kids zu Hause selber zu betreuen, oder an die Großeltern, oder schwarzarbeitende Kindermädchen abzugeben. Das ist nicht der Zustand, den ich sozial gerecht nennen würde!

    Wir brauchen also dreierlei: Zum einen die Quote, zum zweiten ein Recht auf frühe Kinderbetreuung und zum dritten Sprachkosmetik, die uns alle daran erinnert, dass auch in Deutschland erfolgreiche Berufsgruppen nicht nur Männern vorbehalten sind!

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  2. Das Englische ist zwar geschlechtergerechter als das Deutsche, aber bei weitem nicht völlig. Man denke nur an "Mankind" oder die Debatte um Congressman/Congresswoman bzw. Chairman/Chairwoman. Die romanischen Sprachen sind in Sachen generisches Maskulinum bekanntermaßen noch schlimmer als Englisch und Deutsch, wobei in Frankreich - trotz ähnlich wenig geschlechtergerechter Sprache - Frauen eine deutlich bessere gesellschaftliche Stellung als in Spanien oder Italien haben.

    Insofern unterstützt das meine These, dass die Gleichstellung von Frauen viel mehr von kulturellen Ursachen (die es zu beseitigen gilt) als von der jeweiligen Sprache behindert wird ;-)

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  3. Ganz einfach: Das eine tun und das andere nicht lassen.

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  4. Wenn das andere allerdings grammatisch gar nicht immer möglich ist, den Lese- und Sprachfluss stört und bisher nichts gebracht hat, sollte man es in Frage stellen, oder?

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