Donnerstag, 26. Mai 2011

Die Linke und ihr unerträglicher Pazifismus

Man kann von mir nun wirklich nicht behaupten, dass ich ein Pazifist bin. Dennoch respektiere ich die Haltung des Friedens um jeden Preis - sofern ihr kohärente Argumente zugrunde liegen.

Heute hat sich der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, zum NATO-Einsatz in Libyen sowie den demokratischen Bewegungen in der arabischen Welt geäußert und leider wieder bewiesen, dass die meisten Positionen seiner Partei einer intellektuellen Betrachtung nicht standhalten.


Im Folgenden kommentiere ich einige Argumente Gysis in chronologischer Reihenfolge:
  • Globalisierungskritik ist bei der Linken nichts Neues. Wenig überraschend moniert Gysi, dass die G8 kein Recht hat ohne die Schwellen- & Entwicklungsländer Entscheidungen für die Welt zu treffen. Recht hat er! Aber was wäre die Alternative?
    Mit Kim Jong-il, Robert Mugabe, Alexander Lukaschenko oder Fidel Castro an einem Tisch sitzen? Internationale Institutionen wie die UN, die G8, die G20 oder die OECD sind suboptimal, aber besser als nichts oder ewiger Stillstand.
  • Gysi begrüßt, dass sich Deutschland bei UN-Resolution 1973 - welche den NATO-Einsatz in Libyen ermöglichte - enthalten hat. Er hätte natürlich noch lieber ein Nein gesehen. Zudem beschwert er sich, dass Russland und China die Intervention in Libyen ständig kritisieren, diese aber nicht mit einem Veto verhindert haben. Dass Gysi zwei Unrechtsstaaten überhaupt weltpolitische Verantwortung zuschreibt, mag verwundern, der Wunsch nach einer Nichteinmischung in Libyen umso mehr. Gysi argumentiert im Umkehrschluss dafür, dass der Westen Gaddafi - wohlgemerkt einem durchgeknallten Despoten - auf diplomatischem Weg Einhalt gebieten soll. Naiver könnte seine Haltung kaum sein:
    Kurz vor Beginn des NATO-Einsatzes waren bereits mehr als 1.000 Menschen Gaddafis blutiger Niederschlagung zum Opfer gefallen, seine Truppen standen vor der Millionenstadt Benghazi & er bezeichnete seine Gegner als "Ratten" und versprach "Haus für Haus [zu] säubern". Kein Eingreifen durch die NATO hätte ohne Zweifel Zehntausende Menschenleben gekostet.
    Gaddafi hat zudem in der Vergangenheit nicht nur Terrorismus gefördert, sondern im Fall von Pan Am Flug 103 sogar Terroranschläge angeordnet. Wenige Tage vor Verabschiedung der UN-Resolution drohte er, sich "mit al-Qaida zu verbünden und einen heiligen Krieg zu erklären". Ein milliardenschwerer Diktator, der Terrororganisationen fördert und vielleicht wieder selbst Terroranschläge einfädelt und das in unmittelbarer europäischer Nachbarschaft? Das kann nicht sein! 
    Außerdem lässt Gysi die von der UN festgeschriebene "responsibility to protect" völlig unter den Tisch fallen, welche sogar von Heidemarie Wieczorek-Zeul zitiert wurde und sie ist nun wahrlich keine Kriegstreiberin. Darin heißt es zusammengefasst: "If a State is manifestly failing to protect its citizens from mass atrocities and peaceful measures are not working, the international community has the responsibility to intervene at first diplomatically, then more coercively, and as a last resort, with military force." Und genau das hat der Westen getan.
  • Auch den Doppelstandard des Westens spricht Gysi an. Warum haben wir nur in Libyen eingegriffen, obwohl in Bahrain, Jemen und Syrien ähnliche Gräueltaten gegen die Bevölkerung verrichtet werden? Das ist eine berechtigte und wichtige Frage. Seine Antwort ist aber an Unverschämtheit und/oder Unwissenheit kaum zu überbieten.
    Die Behauptung, dass der Westen angeführt von den USA wegen Öl Kriege vom Zaun bricht, wird seit dem Irak-Krieg immer wieder geäußert. Das ist verwunderlich, denn die meisten Lizenzen für die Bewirtschaftung irakischer Ölfelder gingen an Konzerne, deren Heimatländern Gegner des Irak-Krieges waren, beispielsweise Russland und China. Mit Blick auf Libyen ist diese Behauptung noch unsinniger. Das Land verfügt über lediglich 3% der weltweiten Öl-Reserven und weder die USA noch die Europäische Union (mit Ausnahme Italiens) sind auch nur annähernd von libyschem Öl abhängig. Wer also behauptet, dass der Westen Kriege im Irak und jetzt in Libyen führt, um sich den Zugang zu Öl zu sichern, lügt oder weiß es nicht besser und spielt islamischen Extremisten wie al-Qaida nur in die Hände. 
  • Ich kann Gysi nur zustimmen, wenn er deutsche Waffenexporte an Libyen und andere Unrechtsstaaten anprangert. Diese müssen in Zukunft unterbunden werden. Für mich leitet sich aus Deutschlands Billigung von Waffenlieferungen an Gaddafi und andere Despoten aber auch die Pflicht ab, einzugreifen, wenn diese jene Waffen gegen das eigene Volk richten.
Die Rhetorik von Gregor Gysi und seiner Partei hilft dem Gedanken des Pazifismus nicht - sie schadet ihm. Nur wer mit Fakten & Glaubwürdigkeit Debatten führt, kann diese gewinnen. Die Linke hat heute wieder gezeigt, dass sie diese Grundfertigkeit der demokratischen Meinungs- und Willensbildung nicht beherrscht.

Gerade in Deutschland wird der NATO-Einsatz in Libyen, nicht zuletzt und zu Recht aufgrund unserer Vergangenheit kritisch gesehen. Eines muss man der NATO aber in jedem Fall zu Gute halten: Das erste Mal in der Geschichte wurde vor möglichen Massentötungen in einem Land eingegriffen und diese verhindert. Das war in Kambodscha, Ruanda, Darfur, dem Kongo und so vielen anderen Fällen nicht so und Millionen von Menschen mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen.

Ob der Wille, im Zweifel militärisch zu handeln bevor es zu spät ist, gut oder schlecht ist, kann und sollte jeder - auch die Linke - für sich entscheiden.

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