Donnerstag, 17. Juni 2010

Wende in Düsseldorf

Wird der Rheinturm seinen Schatten bald über ganz Deutschland werfen? Die kommende rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen kann eine Chance im 5-Parteien-Staat sein.

Mehr als 75 Jahre nach dem Ende der Weimarer Republik könnte das Modell Minderheitsregierung in Deutschland wieder hoffähig werden. Kritiker weisen immer wieder auf die damaligen instabilen Verhältnisse hin, welche schließlich den Weg für das NS-Regime ebneten. Dabei verkennen sie jedoch, dass sich unsere Demokratie gefestigt hat und große Koalitionen oder von Kompromissen geplagte Dreierbündnisse entweder zu Politikverdrossenheit führen können, das Land nicht voranbringen oder sogar beides nach sich ziehen.

Es ist nicht ohne Grund, dass in Kanada oder Skandinavien Minderheitsregierungen zur politischen Normalität gehören.


Natürlich hätte sich Rot-Grün in NRW auf ein abenteuerliches Linksbündnis, ohne Perspektive die Landesfinanzen zu sanieren, einlassen können. Selbstverständlich hätten SPD und Grüne ihre Schulreformpläne fallen lassen können, um eine Regierungsbildung mit der FDP zu ermöglichen. Und ja, die SPD hätte ohne größere Stolpersteine eine große Koalition, mit der Gefahr des politischen Stillstandes und der Perspektive erneut im Polit-Nirvana zu versinken, eingehen können.

Wäre all das gut für Nordrhein-Westfalen und unsere demokratische Kultur gewesen? Glauben sollte das keiner, denn eigentlich stellt eine Minderheitsregierung im Düsseldorfer Landtag ein Win-Win-Szenario für alle im Landtag vertretenen Parteien außer der CDU dar:
  • Die SPD muss nicht fürchten in einer großen Koalition ähnlich wie im Bund marginalisiert zu werden
  • Die Grünen müssen ihre Extrempositionen in Sachen Schulreform und Klimaschutz nicht begraben
  • Keine der Regierungsparteien muss sich so stark verbiegen, wie es bei Rot-Grün-Rot oder der Ampel unweigerlich der Fall gewesen wäre
  • Während im Falle einer großen Koalition Grüne, FDP und LINKE in der Opposition nichts zu melden gehabt hätten, können letztere nun auch aus der Opposition heraus ab und zu mitregieren und jene Erfolge bei den nächsten Landtagswahlen anpreisen
Wenn Liberale und Linke das "Düsseldorfer Modell" verantwortungsvoll und dennoch für den eigenen Vorteil nutzen, könnte die CDU (und dieser Hinsicht kann ich meine Freude nicht verbergen) als einzig "echte" Oppositionspartei enden und gleichzeitig würde es für NRW und die bundesdeutsche parlamentarische Demokratie vorangehen.

Man kann Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann also eigentlich nur Glück bei ihrem Unterfangen wünschen. Denn ein Erfolg würde den starren Parteiapparat in Deutschland noch ein bisschen mehr aufweichen.

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