Dienstag, 21. Juni 2011

Is Germany actually kotzescheisse?

Vor einigen Wochen sah ich in der Leipziger Innenstadt einen Jugendlichen, auf dessen T-Shirt in großen Lettern "Germany is kotzescheisse" prangte. Eine Google-Suche offenbarte schnell, dass es sich dabei um die Initiative der linksradikalen Zeitung Straßen aus Zucker handelt.

Die Zeitung ruft beispielsweise dazu auf, mit Stickern wie "Krawall und Remmidemmi", "Karies für Deutschland!“ oder "Staat.Nation.Kapital.Scheisse." die "Umgebung zu verschönern". Wie der Rest dieser Publikation aussieht, kann sich jeder denken.

Seitdem ich mit der Proklamation "Germany is kotzescheisse" konfrontiert wurde, muss ich oft darüber nachdenken, warum viele Menschen ihr Leben in Deutschland - das trotz vieler Probleme an Freiheit, Demokratie, Wohlstand & Gerechtigkeit kaum zu überbieten ist - offensichtlich so wenig zu schätzen wissen.

Gestern hat Foreign Policy in Zusammenarbeit mit The Fund for Peace den jährlichen Failed States Index (FSI) veröffentlicht. Während ich durch die deprimierenden "Postcards from Hell" klickte, kam mir auch "Germany is kotzescheisse" wieder in den Sinn.

Im Folgenden möchte ich den Straßen aus Zucker-Lesern Länder vorstellen, die im Gegensatz zu Deutschland - wenn überhaupt - das Attribut "kotzescheisse" tatsächlich verdienen:

  • Somalia - Einwohner: 9.359.000, BIP/Kopf: 600$
Der Großteil des Landes entzieht sich dem Einfluss der international anerkannte Übergangsregierung. Selbst deren Kontrolle über die Hauptstadt Mogadischu ist fraglich. Von 10 Millionen Einwohnern brauchen 3 Millionen dringend humanitäre Hilfe, weitere 2 Millionen wurden durch den Bürgerkrieg aus ihrer Heimat vertrieben. Nicht nur Piraten, sondern zunehmend auch Terroristen geben in Somalia den Ton an.
  • Tschad - Einwohner: 10.329.208, BIP/Kopf: 1.698$
Am 25. April konnte der autokratische Präsident Idriss Déby - dank Fälschung und niedriger Beteiligung - mit 90% aller Stimmen eine erdrutschartige Wiederwahl feiern. In den nunmehr 20 Jahren unter seiner Führung hat sich im Tschad wenig verändert: Nur ein Bruchteil der Einwohner verfügt über fließendes Wasser, die Lebenserwartung beträgt lediglich 49 Jahre & die Öl-Milliarden fließen in Waffenkäufe, um die Rebellen im Osten des Landes in Schach zu halten.
  • Sudan - Einwohner: 43.939.598, BIP/Kopf: 2.464$
Nach Jahren des blutigen Bürgerkriegs steht die Unabhängigkeitserklärung Süd-Sudans unmittelbar bevor. Grenzstreitigkeiten und fehlende Einigkeit über die Kontrolle der ölreichen Region Abyei haben jedoch erst kürzlich wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt und über 100.000 Sudanesen zur Flucht gezwungen. Die nahende Abspaltung des Südens könnte das Land somit wieder in einen Bürgerkrieg zurückwerfen. Doch selbst wenn nicht, gilt Süd-Sudan als "pre-failed state": Nur die Hälfte aller Kinder besuchen überhaupt eine Schule, noch weniger haben Zugang zu sauberem Wasser und 85% der Erwachsenen können weder lesen noch schreiben.
Die an Bodenschätzen wie Diamanten, Gold, Kupfer, Cobalt, Coltan und Zink reiche Demokratische Republik Kongo ist zugleich das ärmste Land der Welt. Im rechtsfreien Osten, wo die meisten Bodenschätze liegen, terrorisieren Milizen die verarmte Bevölkerung mit ihrem Kampf um Land, Minen und Versorgungswege. Über die letzten 12 Jahre hat der Bürgerkrieg mehr als 5 Millionen Menschenleben gekostet - mehr als jeder andere Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Land machte erst vor kurzem wieder traurige Schlagzeilen: Eine amerikanische Studie enthüllte, dass im Kongo durchschnittlich 48 Frauen pro Stunde vergewaltigt werden. Der Ausgang und die Folgen der im November stattfindenden Wahlen ist ungewiss.
  • Haiti - Einwohner: 9.719.932, BIP/Kopf: 1.164$
Das ärmste Land Nord- und Südamerikas wurde letztes Jahr von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht. Die internationale Hilfe war schlecht organisiert und wie so oft flossen Gelder langsamer als erwartet. Noch immer leben mehr als eine Millionen Haitianer in Zeltstädten.
Das sind nur fünf der zahlreichen gescheiterten Staaten. Die Straßen aus Zucker-Leser werden hoffentlich gemerkt haben, dass Deutschland nicht darunter ist.

Wer ein "Deutschland ist kotzescheisse"-T-Shirt trägt, sollte dieses in den Kleiderschrank verbannen oder ein "Ich leide unter Realitätsverlust"-T-Shirt dazu kaufen.

5 Kommentare:

  1. Hihi,
    eigentlich wussten selbst mal Jusos etwas von Interdependenzen. Dass "Exportweltmeister" sein wollen und Elend bei den Verlierern in der Weltmarktkonkurrenz irgendwie zusammenhängt, hui, nicht so ein neuer Gedanke.
    Aber auf die Idee zu kommen, durch einen Vergleich mit den vom Weltmarkt abgehängten Staaten die Verhältnisse in diesem Land zu verschönern und gegen Kritik zu imprägnieren, muss mensch erstmal kommen.
    Grüße, Tanja

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  2. Freier Handel funktioniert - aber nur unter freien, demokratischen und transparenten Bedingungen. Ein gutes Beispiel sind China, Taiwan und Südkorea. Alle drei Länder waren vor mehreren Jahrzehnten ähnlich weit entwickelt und haben sich seither dem Weltmarkt geöffnet. Während in China heute eine Milliarde Menschen weiter in Armut leben, gehören Taiwan und Südkorea - dank Freiheit, Demokratie und Transparenz - zu den reichsten Ländern der Welt. Tja ;-)

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  3. Vielleicht ließt du dir einfach mal die Texte der Zeitung durch und vielleicht checkst du dann ja auch, das die Sitution in den Ländern, die du hier vorstellst u.a. deswegen so beschissen ist, weil wir im Kapitalismus leben, in dem u.a. die Nationalstaaten untereinander in Konkurenz zueinander stehen. Zur Konkurenz gehören zwangsläufig Gewinner und Verlierer, den einen geht es also besser, weil es den anderen schlechter geht - einer der Gründe Deutschland kotzescheisse zu finden, wie alle anderen Nationen und Grenzen und Ausbeutung auch!
    Für ein gutes Leben für alle Menschen überall!

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  4. Gib mir genug Waffen und ich baue eine Guerilla auf, die alle multinationalen Konzerne und die regierenden Kompradoren aus dem Land jagt. Warum geht es Afrika wirtschaftlich schlecht? Beschäftige diech mal mit Billigexporten dern imperialistischen europäischen Staaten, die die regionalen Märkte überfluten und den Massen, die von Landwirtschaft leben, die Lebensgrundlage entziehen, weil sie ihre Waren nicht mehr am Markt verkaufen können.
    Weiße deutsche Kartoffel-Ignoranz, lern denken!

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  5. Leider einfach nicht verstanden warum das auf dem Pulli steht. Das hat nichts mit unserem wohlstand zu tuhen oder das wir ihn nicht wertschätzen

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