Donnerstag, 11. April 2013

#PunktBRD statt Akronym-Onanie



Spätestens seit dem Hit-Song "MfG – mit freundlichen Grüßen" wissen wir, dass die Deutschen Akronyme leider geil finden. Klar, Otto Normalverbraucher weiß, was beispielsweise "WM" heißt, aber schon "ARD" birgt Potential für peinliche Punkt-12-Fußgängerzonen-Umfrage-Momente. Spätestens "BMELV" wird die meisten Bürger ratlos machen.

Wer www.bmelv.de in die Adresszeile seines Internet-Browsers eingibt, wird wahrscheinlich leicht überrascht feststellen, dass sich hinter dem ominösen Akronym das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verbirgt. Diese und andere extrem einprägsame Abkürzungen für die zahlreichen Bundesministerien (Yes, BMFSFJ and BMVBS, I am looking at you!) habe ich in meinem ersten Politikwissenschaft-Studienjahr gelernt. Davor war ich selbst nach 5 Jahren SPD-Mitgliedschaft wohl so ahnungslos wie die meisten Deutschen. Spätestens jetzt mag der ein oder andere sich fragen: What the fuck is his problem?

Ganz einfach: Es ist 2013. Mehr Bürgernähe, Bürgerbeteiligung und Open Government sind en vogue. Trotzdem muss man Politikwissenschaftler sein oder jedes Mal die Suchmaschine anschmeißen, wenn man eine Ministeriums-Webseite besuchen will. Kurz um, einprägsame und alltagstaugliche Abkürzungen und URLs für Ministerien und andere staatliche Institutionen sind in deinem Land nicht verfügbar.

Das tut mir leid. Und das sollte sich ändern.

Wie so oft präsentiert der angelsächsische Raum eine Lösung. Wer die Webseite des britischen Justizministeriums erreichen will, gibt einfach www.justice.gov.uk ein. Das amerikanische Bildungsministerium? www.education.gov. Dank dedizierter Top-Level-Domain sind prägnante Webadressen möglich und obendrein wird den Nutzern durch strengere Vergaberichtlinien höhere Sicherheit geboten.

Also warum nicht auch in Deutschland? Macht "www.arbeit.brd" nicht eine bessere Figur als www.bmas.de? Und wie wäre es mit "www.wirtschaft.reg.de" statt www.bmwi.de? Oder vielleicht "www.umwelt.bund" an Stelle von www.bmu.de? Die Möglichkeiten sind vielfältig und gerade bei einer .reg-Domain könnte man auch den Bundesländern attraktive URLs bieten. Das sächsische Sozialministerium ist derzeit unter www.sms.sachsen.de. Sorry, aber "www.soziales.reg.sn" ist einfach sexier.

Gerade weil wir an vielen Stellen eine zunehmende Entfernung zwischen Gesellschaft und Politik beklagen, sollten wir die einfachen Annäherungsmöglichkeiten nutzen, die uns das Internet-Zeitalter bietet: Einprägsame, sichere und vor allem gute staatliche Webseiten.

Montag, 10. Dezember 2012

Ein Stein kommt ins Rollen

Sorry, diese Überschrift konnte ich mir nicht verkneifen.

Aber immer der Reihe nach.

"Eine sehr sozialdemokratische Rede", "Kanzlerformat". Diese Worte über Peer Steinbrück können natürlich nur von Johannes Kahrs stammen. Oh, wait. Tatsächlich kamen diese Worte nach Steinbrücks Bewerbungsrede aus dem Munde von Ralf Stegner. Ja, diesem Ralf Stegner.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Irgendwas mit Twitter

Wenn es einen Grundsatz für die Nutzung von Social Media gibt, dann ist es Authentizität. Und aller Unkenrufe zum Trotz, erfüllen Peer Steinbrücks Twitter-Gebaren genau diesen Grundsatz.

Moment. Hat Steinbrück nicht gesagt, er twittere nicht? Ja, aber glücklicherweise haben die Online-Kräfte in der SPD über den bockigen "Offline-Kandidaten" triumphiert.

Gestern zwitscherte er dann plötzlich zum ersten Mal. Im Profil allerdings gleich der Hinweis: "Hier twittert das Team vom designierten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück - und ab und zu er selbst." Und ab und zu er selbst. Klassisch Steinbrück könnte man sagen.


"[Dann] können wir's miteinander probieren." Und noch mal klassisch Steinbrück.

Die Kritik ließ natürlich nicht lange auf sich warten und die ersten der wenigen CDU-Mitglieder, die einen Internet-Zugang besitzen, bliesen zum Angriff. Die haben allerdings nicht mit der netzpolitischen SPD-Kreuzritterin Mina und meiner Wenigkeit gerechnet:

Runde 2:

Wenn Steinbrück "ab und zu" überzeugt und authentisch twittert, ist das noch immer besser als Angela Merkel (nicht auf Twitter), Horst Seehofer (nicht auf Twitter) oder Philipp Rösler (seit 1 Jahr still, nie selbst getwittert und trotzdem peinlich).

Tja.

Und wer weiß, vielleicht findet Steinbrück doch noch gefallen am faszinierenden Medium Twitter.

Angezählt, aber nicht K.O.

Sei es die schleppende Veröffentlichung seiner Honorare, die umstrittene Absprache mit den Stadtwerken Bochum, der Rückzug von Online-Berater Roman Maria Koidl oder – mein persönlicher Favorit – Pinot-Grigiogate (für die Piraten unter meinen Lesern wollte ich zumindest ein mal die Endung -gate benutzen): Die Medien, Schwarz-Gelb und der ein oder andere frustrierte Sozialdemokrat haben angesichts des gelungenen Fehlstarts von Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat die Bundestagswahl 2013 schon abgeschrieben, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Aber nicht so schnell. Es gibt viele Gründe, warum Angela Merkel im September 2013 dennoch in den politischen Ruhestand versetzt werden könnte. Hier sind fünf davon:
  • Pauline-Kael-Syndrom: Nach Richard Nixons erdrutschartigem Sieg bei der Präsidentschaftswahl 1972, erlangte Filmkritikerin Pauline Kael mit dem Zitat „Ich konnte nicht glauben, dass Nixon gewonnen hat. Niemand, den ich kenne, hat für ihn gestimmt“ ungewollt Berühmtheit. Kaels Äußerungen sind exemplarisch für die politische Blase in der viele von uns leben. Damit meine ich nicht unbedingt eine parteipolitische Blase, sondern eine bevölkert von Menschen, die sich stark für Politik interessieren. Wenige Tage nachdem Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde, nutzte ich mit zwei Studentinnen eine Mitfahrgelegenheit. Mich interessierte, was sie über die Personalie Steinbrück dachten. Umso überraschter war ich, als die eine meinte, sie hätte das überhaupt nicht mitbekommen. Geradezu perplex war ich allerdings, als die andere fragte, ob Steinbrück der „weißhaarige, ehemalige Außenminister“ wäre. Kurz um: Auch wenn es für Menschen in politischen Sphären schwer nachvollziehbar ist, ein signifikanter Teil der Bürger entscheidet und beschäftigt sich mit Wahlkampf erst unmittelbar vor der Wahl. Die Fettnäpfchen, in die Steinbrück getreten ist, werden viele dann nie gehört oder schon wieder vergessen haben.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Frontal21 oder auch: Wie man 3377 Euro pro Minute die Toilette runter spült

Lange Zeit konnte ich nicht verstehen, warum viele meiner Freunde Politmagazine wie Monitor, Panorama oder eben Frontal21 bestenfalls belächeln oder wie viele Spitzenpolitiker sogar über sie fluchen. Doch wie so oft ist nicht alles Gold, was glänzt. Und von etwas anderem als Glänzen kann bei Frontal21 mit stolzen 3377 Euro pro Minute Produktionskosten keine Rede sein.

Dass Frontal21 aus den üppig kassierten Rundfunkgebühren oftmals leider keinen seriösen Fernsehjournalismus macht, musste ich kürzlich bei zwei Beiträgen feststellen - beim ersten aufgrund meines medizinischen Fachwissens und beim zweiten wegen meiner Anwesenheit vor Ort.

14.08.2012, 21.33 Uhr: Frontal21 berichtet mit dem Titel "Krebskranke bei Samsung - Kampf um Gerechtigkeit" (Manuskript im PDF-Format hier) über angeblich gehäufte Krebserkrankungen bei Mitarbeitern von Samsung in Südkorea. Schon wenige Sekunden nach Beginn des Beitrags spricht eine schwer gezeichnete, ehemalige Samsung-Angestellte "Da sagte man mir, dass ich Krebs habe. Ein Hirntumor." in die Kamera. Bevor man nun wütend auf den südkoreanischen Mammutkonzern wird, sollte man allerdings wissen, dass zahllose medizinische Studien bis heute - abgesehen von Radioaktivität - keinen Zusammenhang zwischen bösartigen Hirntumoren und Umweltfaktoren feststellen konnten. Und so unseriös plänkelt der Beitrag weiter vor sich hin, dramatische Interview-Fetzen, wüste Unterstellungen, bestenfalls Indizien und vor allem keine Fakten. Es kann gut sein, dass bei Samsung Mitarbeiter aufgrund mangelnder Arbeitsplatzsicherheit an Krebs erkranken. Eine stichhaltige Berichterstattung sollte in diesem Fall aber plausibel Erkrankte und beispielsweise ein Gutachten und Interview eines Epidemiologen beinhalten - bei mehr als 150.000 Euro Budget für jede Sendung durchaus machbar.

25.09.2012, 21.08 Uhr: Der Beitrag "Gefangen im Netzwerk - Die Macht von Facebook" (Manuskript im PDF-Format hier) dreht sich um eine naive, selbsterklärt "süchtige" Facebook-Nutzerin - bezeichnenderweise mit dem Namen "Lulu". Es folgt das Aufwärmen längst bekannter Datenschutz-Mängel bei Facebook und diffuse Angstmacherei. Für den ein oder andern vielleicht interessant, investigativ keinesfalls. In der Mitte des Beitrags möchte Frontal21 anhand der verweigerten Stellungnahme der "extra aus den USA eingeflogenen" Facebook-Repräsentantin Elizabeth Linder die Intransparenz des Social-Media-Giganten beweisen. Dass sie seit Längerem in London stationiert ist, wurde von der Redaktion entweder nicht recherchiert oder bewusst falsch dargestellt. Aber wie steht es um das Auftreten des Frontal21-Kamerateams vor Ort? Linder sprach am Sonntag, dem 23.09. auf dem PolitCamp in Berlin. Der Redaktion wurde schon am Freitag zuvor seitens Facebook mitgeteilt, dass sie  nicht auf Fragen eingehen würde. Außerdem hatten die PolitCamp-Veranstalter klar kommuniziert, dass im Veranstaltungssaal Dreharbeiten, aber keine Fragen gestattet wären. Allen Absprachen zum Trotz stürzte sich das Frontal21-Kamerateam bei erster Gelegenheit auf Linder und Gesprächspartner gleichermaßen und eine Redakteurin feuerte in schlechtem Englisch von einem Schmierzettel abgelesene Fragen ab. Das Resultat kann im Beitragsvideo bestaunt werden. Seriosität sieht in jedem Fall anders aus. Zum krönenden Abschluss meint Lulus "beste Freundin Katja" in Sachen Telefonabhörung durch Facebook "Ganz ehrlich. Ich kann's mir sogar vorstellen. Also, mittlerweile hat man immer mehr Angst davor." Gut, dass wir das geklärt haben.

Eines ist klar: Kritisches Zuschauen ist mittlerweile nicht nur bei RTL und Co. notwendig.

Montag, 5. Dezember 2011

Irgendwas mit Internet

Michael Adams Ortsverein in Niederbayern
3. Dezember 2011. 20 Uhr. Berlin. Umspannwerk Ost. Der Vorwärts lädt zum internationalen Presseabend ein und ich bin dabei. Fast wäre es nicht dazu gekommen, aber das ist eine andere Geschichte. Und fast hätte ich von einem dreckigen Teller gegessen, aber auch das ist eine andere Geschichte. Worauf ich - mal wieder - hinaus möchte, ist dieses Internet.

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Volksparteien mit Internet und sozialen Medien besonders schwer tun. Ein wenig Webseite hier, ein bisschen Facebook da und wenn man besonders experimentierfreudig ist, ein paar Tweets nebenbei. Etwas ganz besonderes hat sich Sigmar Gabriel für den Presseabend einfallen lassen: Per Internet-Videoschalte wurden drei Ortsvereine virtuell ins Umspannwerk geholt und durften vor versammelter SPD- und Presse-Avantgarde ein paar Minuten mit dem Chef plaudern. Eine schöne Idee. Leider geht sie an der bitteren digitalen Realität der ältesten Partei Deutschlands vorbei.

Seit Jahren zieht sich durch die deutsche Sozialdemokratie eine digitale Spalte: Innovative Webseiten und nicht-existierende Internetpräsenzen, Social-Media-Experten und Funktionäre, die von Facebook oder Twitter noch nie etwas gehört haben, E-Mail-Nutzer und Mitglieder, die per Briefpost nur einen Bruchteil des Parteilebens mitbekommen. Der Hauptstadtpresse die faszinierenden Möglichkeiten des Internets vorzuführen ist das Eine, diese der gesamten Partei zu ermöglichen das Andere.

Die SPD muss ihre digitale Spaltung überwinden. Bis das der Fall ist, sind PR-Gimmicks fehl am Platze.