Sonntag, 9. Dezember 2012

Angezählt, aber nicht K.O.

Sei es die schleppende Veröffentlichung seiner Honorare, die umstrittene Absprache mit den Stadtwerken Bochum, der Rückzug von Online-Berater Roman Maria Koidl oder – mein persönlicher Favorit – Pinot-Grigiogate (für die Piraten unter meinen Lesern wollte ich zumindest ein mal die Endung -gate benutzen): Die Medien, Schwarz-Gelb und der ein oder andere frustrierte Sozialdemokrat haben angesichts des gelungenen Fehlstarts von Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat die Bundestagswahl 2013 schon abgeschrieben, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Aber nicht so schnell. Es gibt viele Gründe, warum Angela Merkel im September 2013 dennoch in den politischen Ruhestand versetzt werden könnte. Hier sind fünf davon:
  • Pauline-Kael-Syndrom: Nach Richard Nixons erdrutschartigem Sieg bei der Präsidentschaftswahl 1972, erlangte Filmkritikerin Pauline Kael mit dem Zitat „Ich konnte nicht glauben, dass Nixon gewonnen hat. Niemand, den ich kenne, hat für ihn gestimmt“ ungewollt Berühmtheit. Kaels Äußerungen sind exemplarisch für die politische Blase in der viele von uns leben. Damit meine ich nicht unbedingt eine parteipolitische Blase, sondern eine bevölkert von Menschen, die sich stark für Politik interessieren. Wenige Tage nachdem Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde, nutzte ich mit zwei Studentinnen eine Mitfahrgelegenheit. Mich interessierte, was sie über die Personalie Steinbrück dachten. Umso überraschter war ich, als die eine meinte, sie hätte das überhaupt nicht mitbekommen. Geradezu perplex war ich allerdings, als die andere fragte, ob Steinbrück der „weißhaarige, ehemalige Außenminister“ wäre. Kurz um: Auch wenn es für Menschen in politischen Sphären schwer nachvollziehbar ist, ein signifikanter Teil der Bürger entscheidet und beschäftigt sich mit Wahlkampf erst unmittelbar vor der Wahl. Die Fettnäpfchen, in die Steinbrück getreten ist, werden viele dann nie gehört oder schon wieder vergessen haben.
  • Boulevard ist nicht alles: Die Medien haben kaum einen Hang zu bestimmten Parteien, sondern vor allem einen Hang zu guten Storys. Wenn es um kleine Fehltritte von Politikern geht, kann man diese These wohl blind unterschreiben. Jeder noch so kleine Makel Steinbrücks wird quoten-, auflagen- und klick-wirksam ausgeschlachtet. Wer allerdings mit Otto-Normal-Bürgern spricht, wird feststellen, dass die sich für diese Boulevar­di­sie­rung der Politik wenig interessieren. Sie wollen vor allem wissen, was Parteien und Kandidaten – wer hätte es gedacht – in Sachen Bildung, Arbeit, Umwelt, etc. auf die Agenda setzen wollen. Union und FDP sollten nicht den Fehler machen zu glauben, dass Steinbrücks Fehlstart am Ende wahlentscheidend sein könnte.
  • Der Anti-Merkel-Faktor: Allen Widrigkeiten zum trotz, kann man Steinbrück eines nicht absprechen: Er ist die Anti-Merkel. Während 2009 Schwiegersohn Steinmeier einen Kuschelwahlkampf gegen seine Mutti - pardon Chefin - führen musste, wird Steinbrück nicht nur die Samthandschuhe gar nicht erst anlegen müssen, sondern persönlichkeitsbedingt ein starker, positiver Kontrast zu Merkel sein. Es könnte nach dem Kampf gegen Gerhard Schröder 2005 Merkels härteste Feuerprobe werden.
  • Merkel ist die CDU, die CDU ist Merkel: Was schon lange offensichtlich war, wurde kürzlich von Infratest dimap bestätigt: Die Union wird vor allem wegen Merkel gewählt, die SPD (erfreulicherweise) vornehmlich wegen Inhalten. Auch wenn die Popularität der Kanzlerin derzeit in Stein gemeißelt zu sein scheint, war dem nicht immer so. 2010 und 2011 litt Merkels Beliebtheit zeitweise so sehr, dass sowohl Steinbrück als auch Steinmeier in der Direktwahl-Frage an ihr vorbeizogen. Auch die Umfragewerte für die Union lagen in so mancher Sonntagsfrage so nah an der SPD, dass man im Konrad-Adenauer-Haus wahrscheinlich schon nervös wurde. Neun Monate sind in der Politik eine halbe Ewigkeit. Gut möglich, dass der Stern Angela Merkel am Wahltag 2013 verblasst ist
  • Die SPD ist und bleibt beliebt: Egal ob soziale Gerechtigkeit, Bildung oder die Sympathie-Frage. Bei vielen wichtigen Indikatoren liegt die SPD in allen Umfragen vorne. Ja, dieses politische Kapital wurde in den vergangenen Jahren oft nicht genutzt, aber 2013 bietet auch dafür eine neue Chance.
Eines steht fest: Die Sozialdemokratie spielt bei der Bundestagswahl 2013 auf Sieg und ihr Fundament ist fest genug, um auf Sieg spielen zu können.

1 Kommentar:

  1. Hey Rafael, erstmal schön, dass du wieder bloggst. Mich würde mal interessieren, woher du folgende Erkenntnis nimmst:

    "Sie wollen vor allem wissen, was Parteien und Kandidaten – wer hätte es gedacht – in Sachen Bildung, Arbeit, Umwelt, etc. auf die Agenda setzen wollen."

    Das bezweifle ich nämlich stark.

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